Binsenweisheiten

Flatterbinsen-Dominanzbestand, Foto: Kristof Habermann

Als Binsenweisheiten werden gemeinhin offerierte Informationen bezeichnet, die keinen besonderen Neuigkeitsgehalt aufweisen. Der Begriff „Binsenweisheit“ geht auf eine lateinische Redewendung zurück, für deren abschätzigen Inhalt die schon damals ungeliebte Sumpfpflanze ebenso herhalten musste wie für das „in die Binsen gehen“, also dem Misslingen eines Vorhabens, in einem weiteren sprichwörtlichen Kontext. Die historischen Gründe für das geringe Ansehen der Binsen (Arten der Gattung Juncus), wie sie uns im täglichen Sprachgebrauch allenthalben begegnen, sind auch darin zu suchen, dass sie als Viehfutter weitgehend wertlos waren. Ein Umstand, der auch heutigen Nutzern von wiedervernässten Extensivgrünländern zu schaffen macht: Haben die zur Bildung von Dominanzbeständen befähigten Binsenarten erstmal eine Fläche erobert (siehe Foto), ist es sehr schwer sie zurück zu drängen, insbesondere unter Naturschutzauflagen. Derartige Aufwüchse genügen den heutigen Anforderungen an die Qualität von Grundfutter in modernen Verfahren der Tierhaltung nicht mehr. Zur Aufrechterhaltung von regulierenden Ökosystemdienstleistungen wie der Nährstoffretention und den Habitatfunktionen für schützenswerte Tier- und Pflanzenarten bedarf es dennoch einer Nutzung dieser Feuchtgrünländer. Aber was mit der Biomasse aus solchen Landschaftspflegeaufwüchsen anfangen?

Anlass genug für die Wissenschaftler der Professur für Grünland und Futterbauwissenschaften sowie der Agrartechnologie und Verfahrenstechnik ‚in die Binsen zu gehen‘ um nach ‚Binsenweisheiten‘ im Sinne einer alternativen Verwertung der anfallenden Biomassen aus Landschaftspflegeaufwüchsen jenseits der traditionellen landwirtschaftlichen Verwertung über Wiederkäuer und Pferde Ausschau zu halten.

Die Ergebnisse dieser Bemühungen sind nun in Form einer Publikation in der Zeitschrift „Energy, Sustainability and Society“ (Springer Nature) zusammenfassend dokumentiert worden: Demnach ist es auf verschiedene Art und Weise möglich, Binsen-reiche Feuchtgrünlandaufwüchse als Rohstoffe für die Energieerzeugung einzusetzen. Allerdings ist jede dieser Optionen an Voraussetzungen gebunden, die letztlich die Spezifika in der stofflichen Zusammensetzung von Binsen-reichen Substraten wiederspiegeln. So verfügen die Binsen über einen hohen spezifischen Heizwert, sind aber schwer trocken zu bergen. Beim Einsatz in der Biogaserzeugung via Nassfermentation ist der Neigung zum Aufschwimmen in der Vorgrube bzw. dem Fermenter durch geeignete Vorbehandlungsmaßnahmen und Rührtechniken zu begegnen. Als Mischsubstratkomponente in der Feststofffermentation erwies sich die gute Gaszügigkeit infolge der Aerenchym-Strukturen des Binsengewebes indes als vorteilhaft.

Müller, J.; Jantzen, C. & Wiedow, D. (2020) The energy potential of soft rush (Juncus effusus L.) in different conversion routes. Energy, Sustainability and Society (10), 26 https://doi.org/10.1186/s13705-020-00258-1

Kontakt:
Dr. Jürgen Müller
Professur für Grünland- und Futterpflanzenwissenschaften
Tel.: +49 381 498-3143
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Dr. Denny Wiedow
Professur für Agrartechnologie und Verfahrenstechnik / A.F.E.R.
Tel.: +49 381 498-3346
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