Survival of Plant Seeds in Anaerobic Digestion and Ensilage
Juliane Hahn, 2024
Zusammenfassung
Pflanzliche Biomasse ist ein vielseitiger Rohstoff, der zunehmend in der Energie- und Materialproduktion der kreislauforientierten, biobasierten Wirtschaft Anwendung findet. Heute ergänzen auch samenbildende Wildpflanzenarten das Biomasseportfolio, zum Beispiel in der Biogasproduktion. Allerdings können Pflanzensamen sehr widerstandsfähig gegenüber zahlreichen Umweltfaktoren sein. Es ist daher möglich, dass Samen die Biogasproduktionskette überleben und unbeabsichtigt mit den Zwischen- oder Endprodukten, wie z. B. dem Gärrest aus Biogasanlagen, ausgebracht werden. Dies könnte zu Unkrautproblemen führen, deren Bekämpfung die Nachhaltigkeit beeinträchtigen und zusätzliche Kosten und Arbeit verursachen würde.
In dieser Arbeit wurde untersucht, inwieweit Samen von Wildpflanzen Prozesse der Biogasproduktion, nämlich die anaerobe Vergärung (AV) und die Silierung, überleben können. Insgesamt wurden 16 Arten
(22 Samenchargen) untersucht, von denen die meisten aus einer im Handel erhältlichen Wildblumenmischung für die Biogaserzeugung ausgewählt wurden. Die Bestimmung der Lebensfähigkeit der Samen durch eine Kombination aus Keimtests und Tetrazoliumfärbung sowie die Modellierung der Samen-Lebensfähigkeit als Funktion der Expositionszeit erwiesen sich als wertvoll, um einen Einblick in die große Vielfalt der Lebensfähigkeitsreaktionen zu erhalten. Diese Reaktionen unterschieden sich zwischen den Arten und den Saatgutpartien. Es konnte bestätigt werden, dass Hartschaligkeit (HS), d. h. physikalische Dormanz, das Überleben begünstigt, wobei Tiefe und Grad der HS eine Rolle spielen könnten. Die Grundlage der Resistenz bei den überlebenden, nicht-hartschaligen (NHS) Arten muss noch ermittelt werden, ebenso wie mögliche Beziehungen zwischen Resistenzpotenzial und taxonomischer Zugehörigkeit.
Es wurde festgestellt, dass die AV die Lebensfähigkeit der Samen reduzierte, wobei das Ausmaß der Reduktion durch ein Zusammenspiel von Sameneigenschaften und Prozessparametern bestimmt wurde. Die Reaktionen der Samen-Lebensfähigkeit reichten von einer vollständigen Inaktivierung innerhalb von 24 Stunden über einen steilen Rückgang nach einer lag-Phase bis hin zu einem anfänglichen Anstieg der Lebensfähigkeit (Hormesis). Nach der maximalen Expositionszeit von 36 Tagen in den Labor- oder kommerziellen Biogasreaktoren bei mesophilen Temperaturen zwischen 35 und 42 °C betrug die durchschnittliche Wirksamkeit der Samenabtötung etwa 53 % bzw. 100 % für HS- und NHS-Arten. Die Samen einiger Arten überlebten alle Behandlungen. Malva sylvestris, Melilotus albus und Melilotus officinalis waren besonders AV-resistent und wiesen als einzige Arten biphasische Lebensfähigkeitskurven auf. Bei den meisten Arten führten jedoch eine längere Verweildauer und höhere Temperaturen zu einer stärkeren Inaktivierung der Samen. Im Vergleich zu den Versuchsreaktoren im Labormaßstab tötete der kommerzielle Reaktor die Samen effizienter ab. Der Vergleich von Wasserbädern und Reaktoren zeigte, dass sich die Thermoresistenz von Samen noch nicht als zuverlässiger Indikator für das Überleben in AV eignet, da die Temperatur ein wichtiger, aber nicht der einzig bestimmende Faktor für die Inaktivierung der Samen war. Die Abschätzung des Samen-Überlebens in der AV wird genauer werden, wenn künftige Studien vollständige Lebensfähigkeitskurven aufzeichnen, d. h. bis zur Inaktivierung sowohl von dormanten als auch nicht-dormanten Samen. Auf dieser Grundlage könnte die Übertragbarkeit der Ergebnisse vom Labor- auf den Großmaßstab quantifiziert und die Eignung der Thermoresistenz als Überlebensindikator in der AV neu bewertet werden.
Die Silierung im Labormaßstab über einen Zeitraum von bis zu acht Monaten hat keine der getesteten HS-Arten vollständig inaktiviert, wohl aber alle NHS-Arten. Die samenabtötende Wirkung für die HS-Arten lag zwischen 5 und 60 %. Es wurde kein einheitlicher Effekt von Silagetypen, die sich im silierten Ausgangsmaterial, den Silierbedingungen und der daraus resultierenden biochemischen Zusammensetzung der Silagen unterschieden, auf das Überleben der Samen beobachtet. Die Faktoren, die der Abtötung von Samen in Silagen zugrunde liegen, müssen daher noch ermittelt werden.
Schließlich wurde nachgewiesen, dass sich die Biomasse der Wildblumenmischung für die Silierung eignet, vorzugsweise gemischt mit Mais. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese Biomasse - und ihre Samen - in die Biogasproduktionskette gelangen. Ob die Verwendung solcher samentragender Wildpflanzenbiomasse als Biogasrohstoff das Risiko birgt, Silage und Gärreste mit lebensfähigen Samen zu verunreinigen, hängt jedoch sowohl vom Risiko des Samen-Überlebens als auch davon ab, ob die Samen in ausreichender Menge und Qualität in die Biogaskette gelangen. Die in dieser Arbeit ermittelten Saatgutabtötungseffizienzen von AD und Silage sowie das samenbürtige Resistenzpotenzial ermöglichen eine Abschätzung dieses Kontaminationsrisikos und können so zu einer nachhaltigen Nutzung von Wildpflanzenbiomasse beitragen.