Ableitung ergebnisorientiert honorierbarer ökologischer Leistungen der Landwirtschaft am Beispiel einer Region in Nord-Ostdeutschland

Annika Höft, 2012


Zusammenfassung
Wir stehen in Europa heute vor der Situation, dass landwirtschaftliche Nutzung zu einem Bedrohungsfaktor für die Biodiversität geworden ist. Um Landwirte zu ermutigen, Produktionsverfahren einzuführen, bzw. beizubehalten, die dem Schutz und der Verbesserung der Biodiversität dienen, wurden im Zuge der MacSharry-Reform von 1992 Agrar-Umweltmaßnahmen eingeführt. Wissenschaftliche Studien bescheinigen diesen jedoch nur einen gemischten Erfolg. Ergebnisorientierte Honorierung wird als vielversprechender Weg diskutiert, um die Effektivität und Effizienz von Agrar-Umweltmaßnahmen zu verbessern. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Frage nach Möglichkeiten von Effektivitäts- und Effizienzgewinnen bei ergebnisorientierter Honorierung nachgegangen. Ansätze dazu liefern die Art und Weise der Ausgestaltung und der Implementierung eines ergebnisorientierten Honorierungskonzeptes. Dazu wird ein bestehendes Verfahren zur Ableitung regionaler, ergebnisorientiert honorierbarer ökologischer Leistungen der Landwirtschaft auf seine Eignung hin überprüft und weiterentwickelt. Fallbeispielregion ist der Landkreis Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern. Um die Eignung einer Mittelvergabe über standardisierte Prämiensätze bei der ergebnisorientierten Honorierung auf Ackerflächen zu prüfen, werden zudem anhand von Fallbeispielbetrieben Opportunitätskosten der ergebnisorientierten Leistungserbringung auf Ackerflächen berechnet.

Kapitel 3 liefert einen konzeptionellen Rahmen dazu wie man Segetalarten als ökologische Leistung des Ackerbaus erhalten und fördern kann. Der Erfolg von Honorierungskonzepten wird dabei durch die Faktoren Kosten-Wirksamkeit, Akzeptanz und Praktikabilität bestimmt. Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass eine ergebnisorientierte Förderung von Segetalarten in allen drei Bereichen Verbesserungen erwarten lässt.

Im Kapitel 4 wird die These aufgestellt, dass die Kombination einer ergebnisorientierten Honorierung mit in der Höhe differenzierten Prämienzahlungen in Bezug auf die Effizienz erfolgsversprechender sein könnte, als mit einheitlicher Prämienhöhe. In einer Fallstudie wurden für drei landwirtschaftliche Betriebe aus Mecklenburg-Vorpommern die Opportunitätskosten (OPK) einer Programmteilnahme auf Ackerland berechnet (2002-2006). Diese schwankten in Abhängigkeit von der angebauten Kulturart, dem Standort und der Bewirtschaftung zwischen -36 € und 430 € pro Hektar. Die genannten Faktoren generierten höhere OPK-Standardabweichungen, als temporale Schwankungen der Produktionsmittelkosten und Marktpreise (2003, 2007). Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten: Eine ergebnisorientierte Honorierung ökologischer Leistungen auf Ackerland ist mit stark schwankenden Opportunitätskosten verbunden. Es wird daher empfohlen, diesen Ansatz mit in der Höhe differenzierten Prämienzahlungen (z.B. betriebsindividuell über Ausschreibungsverfahren) zu verknüpfen, um Landwirten einen ausreichenden Teilnahmeanreiz zu bieten und Produzentenrenten zu minimieren. Die Höhe der Zahlung sollte zusätzlich regional variieren, um auch bei regional unterschiedlichen Opportunitätskosten ausreichend Teilnahmeanreiz zu bieten. Zusätzlich sollten die geförderten Flächen auf dem Betrieb rotieren können, da jede Kulturart andere Bedingungen bezüglich Kosten und Risiken der Segetalarten-„Produktion“ mit sich bringt.

Ergebnisorientierte Agrar-Umweltprogramme zum Schutz von Segetalarten können nicht ohne eine Eignungsprüfung ihrer Auswahlkriterien für förderwürdige Flächen regional übertragen werden. In Kapitel 5 wurde deshalb das zugrunde gelegte Honorierungskonzept beispielhaft für artenreiche Segetalvegetation auf den Landkreis Bad Doberan übertragen. Die Förderwürdigkeit einer Ackerfläche wird über Quantität (Anzahl) und Qualität (Bedrohungsstatus) der pro Kontrolleinheit vorkommenden Segetalarten bestimmt. Entscheidend für die Übertragbarkeit der Qualitätsstufen des ökologischen Gutes Acker ist daher die Vergleichbarkeit der mittleren Artenzahl der regionstypischen Segetalgesellschaften. In Bad Doberan kommt eine Segetalgesellschaft vor, die relativ artenarm, aber durch ihre speziellen Standortansprüche auch besonders selten und schützenswert ist, Sclerantho annui-Arnoseridetum minimae. Um für diese Gesellschaft eine mit den anderen Gesellschaften vergleichbare Honorierungshürde zu schaffen, musste für sie die erforderliche Anzahl an Segetalarten je Basisstufe reduziert werden. Als notwendiges Kriterium dafür wurde das Vorhandensein eines für das Auftreten der Gesellschaft typischen niedrigen Boden-pH-Wertes festgelegt. Davon abgesehen war das zugrunde gelegte Honorierungskonzept für die Übertragung auf den Landkreis Bad Doberan geeignet. Im Bezug auf das Qualitätskriterium stellte sich heraus, dass in fast jeder dritten Vegetationsaufnahme die Rote-Liste-Art Centaurea cyanus auftrat. Das relativ häufige Auftreten dieser Art führte zu einer deutlich erhöhten Anzahl an qualitativ hochwertigeren förderwürdigen Flächen.

In Kapitel 6 wurde das ökologische Gut Grünland des zugrunde gelegten Honorierungskonzeptes vom Landkreis Northeim auf den Landkreis Bad Doberan übertragen. Ziel war es, neue Erkenntnisse über die Möglichkeiten und Grenzen der regionalen Übertragung ergebnisorientierter Konzepte zur Honorierung ökologischer Leistungen der Landwirtschaft zu gewinnen. Es wurde ein Verfahren getestet, das geeignete Indikatorarten mit Hilfe bereits existierender vegetationskundlicher Daten auswählt. Die Studie ergab, dass es bis zu einem gewissen Grad möglich ist, mit Hilfe vegetationskundlicher Datenbanken eine regionale Anpassung des Konzeptes vorzunehmen. Für das Erstellen einer Indikatorartenliste ist Expertenwissen allerdings trotz des Vorhandenseins von Kriterien zur Artenauswahl unabdingbar. Die Auswahlkriterien für Indikatorarten und die Qualitätsstufen des ökologischen Gutes Grünland sollten regional angepasst werden, wenn bestimmte entscheidende Charakteristika der Grünlandgesellschaften in der Übertragungsregion (Mittlere Artenzahl pro Flächeneinheit, Verhältnis Kräuterartenzahl zur Gesamtartenzahl) deutlich von denen in der Ausgangsregion abweichen, oder wenn sich die Charakteristika der regional vorkommenden Gesellschaften stark voneinander unterscheiden. Andernfalls ist eine vergleichbare Qualität des geförderten Grünlands nicht gewährleistet. Im Fall des Landkreises Bad Doberan wurde daher empfohlen, für die Gesellschaft Juncetea maritimi eine gesonderte Agrar-Umweltmaßnahme zu implementieren. Der Einsatz von Indikatorarten ermöglicht dabei eine präzisere Flächenauswahl, als die Festlegung einer unspezifischen Mindestartenzahl. Eine mosaikartige Vegetationsstruktur wie sie bei Salzwiesen vorkommt erschwert die Flächenkontrolle nach dem Northeimer Konzept. Die Praktikabilität des Verfahrens ist in diesem Fall eingeschränkt.

In Kapitel 7 wird die Förderung der Weidehaltung als neues Anwendungsfeld für die ergebnisorientierte Honorierung vorgeschlagen. Die Studie macht deutlich, dass die ergebnisorientierte Honorierung ein sehr flexibles Instrument zur Honorierung freiwilliger Leistungen der Landwirtschaft sein kann. Der Ansatz stößt jedoch an seine Grenzen, wenn es nicht möglich ist, das Honorierungsziel durch die Indikatorarten sicher anzusprechen. Das Ziel der Indikation von Beweidung setzt einen sehr engen Rahmen für die Auswahl geeigneter Indikatorarten, zumal es keine reinen „Weidezeiger-Arten“ gibt. Die Indikatorarten sollten in der Lage sein, Beweidung trotz unterschiedlicher Standortverhältnisse (Trophie, Bodenfeuchte) sicher anzuzeigen. Der Rückgriff auf vorhandenes Datenmaterial lies nur die Aufstellung einer Indikatorarten-Liste mit begrenzter Gültigkeit zu. Für ihre Verifizierung und Validierung für verschiedene Standortverhältnisse sind ergänzende Feldversuche notwendig. In Bezug auf die Kontrollkosten scheint der Ansatz der Indikatorarten gestützten Honorierung von Beweidung einem handlungsorientierten Ansatz überlegen zu sein, da nur eine Kontrolle zur Überprüfung des Arteninventars notwendig ist, aber mehrerer Kontrollen zur Überprüfung eines regelmäßigen Weidegangs der Tiere.

In dieser Arbeit kann gezeigt werden, dass die von Bertke (2005) für den Landkreis Northeim entwickelten Verfahren zur Operationalisierung der Umweltziels „Erhalt regional vorkommender Pflanzengesellschaften“ dafür geeignet sind, auf andere Regionen in Deutschland übertragen zu werden. Wichtigste Ergänzung aus dieser Arbeit zu den Verfahren ist die Feststellung, dass wenn die regional vorkommenden Pflanzengesellschaften nicht gleichermaßen in der Lage sind, die gestaffelten Qualitätskriterien zu erfüllen, gesonderte Regelergänzungen oder Qualitätskriterien entwickelt werden müssen, um eine vergleichbare Qualität des geförderten Grünlandes zu gewährleisten. Das Umweltziel „Erhalt“ lässt sich effektiv mit ergebnisorientierter Honorierung erreichen. Bei dem Ziel „Wiederherstellung“, welches auf vielen Bad Doberaner Grünlandflächen verfolgt wird, ist es hingegen fraglich, ob sich aus einem ergebnisorientierten Ansatz ein wirklicher Zugewinn an Effektivität und Effizienz ergeben würde.

Bei der ergebnisorientierte Honorierung einer extensiven Weidehaltung bietet der ergebnisorientierte Ansatz gegenüber der Handlungsorientierung Effizienzvorteile. Bei der Effektivität schneidet der Ansatz jedoch maximal gleich gut ab. Beim Segetalartenschutz lässt ergebnisorientierte Honorierung bei der Gruppe der teilnahmewilligen Landwirte Effizienz- und Effektivitätsgewinne gegenüber der Handlungsorientierung erwarten. Es ist jedoch fraglich, ob der Ansatz generell in der Lage ist, die Teilnahmebereitschaft an Agrar-Umweltmaßnahmen zum Schutz der Segetalvegetation und damit deren Effizienz und Effektivität zu erhöhen. Entscheidend ist die individuelle Einschätzung der Risikosituation (Erfolgs- und Produktionsrisiko) bei Teilnahme. Es hat sich herausgestellt, dass vegetationskundlicher Datenbanken Feldversuche zwar nicht ersetzten, aber positiv ergänzen können und so eine Effizienzsteigerung bei der Umsetzung regionalisierter ergebnisorientierter Honorierungskonzepte ermöglichen. In vielen Regionen sind jedoch geeignete Vegetationsdatenbanken gar nicht vorhanden. Hier ist Feldarbeit unverzichtbar, um Indikatorartenlisten aufstellen zu können.