Arable weeds in oilseed rape in Germany – species, frequencies, structural changes

Kristin Hanzlik, 2011


Zusammenfassung
Raps stellt derzeit sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union die bedeutendste Ölfrucht dar. Aufgrund der gesteigerten Nachfrage nach Rapsöl für die menschliche Ernährung, als Industrierohstoff zur Herstellung von Pharmazeutika, Kosmetika, Lacken und Farben, sowie als Bioenergieträger, hat die nationale Rapsanbaufläche in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen und erreicht vor allem regional hohe Fruchtfolgeanteile.

Obwohl Raps aus pflanzenbaulicher Sicht wegen seiner den Boden verbessernden Eigenschaften als außerordentlich wertvolle Vorfrucht gilt, entsprechen solche hohen Rapsanbauintensitäten nicht den Vorstellungen einer nachhaltigen und umweltschonenden Landwirtschaft und sind nicht zuletzt aus phytosanitärer Sicht kritisch zu bewerten. So werden die engen Fruchtfolgen als wesentliche Ursache der seit Ende der 1990-er Jahre spürbaren Veränderung der Unkrautvegetation im Winterraps aufgeführt. Verstärkt noch durch einseitige Herbizidstrategien in dieser Kultur, konnten sich an Rapsstandorten vor allem Unkrautarten aus der Familie der Kreuzblütler, zu der bekanntermaßen auch Raps gehört, anreichern. Als weitere Ursachen für die Einwanderung und Ausbreitung auch im Raps bisher nicht bekannter Unkräuter werden unterlassene Feldrandhygiene, der Rapsanbau nach Brache und auf Grenzertragsstandorten, sowie veränderte Anbaumethoden genannt.

Überregionale Unkrauterhebungen mit einem klaren Fokus auf Winterraps wurden in der Vergangenheit in Deutschland kaum durchgeführt, wenn waren diese Fälle auf wenige Standorte oder einzelne Vegetationsperioden begrenzt und verzichteten auf eine räumliche Zuordnung der Daten. Da jedoch zahlreiche Berichte aus der landwirtschaftlichen Beratung darauf hindeuten, dass nicht nur die Häufigkeit von Unkrautproblemen im Raps zunimmt, sondern auch einzelnen Landesteilen verschiedene Entwicklungstrends vorliegen, scheint ein überregionaler Ansatz zur Untersuchung der Rapsunkrautflora dringend notwendig.

Ausgehend von der Fragestellung, welches räumliche Ausmaß und welche Bedeutung die berichteten Veränderungen der Unkrautvegetation für den Rapsanbau haben, ist ein Ziel der vorliegenden Arbeit die quantitative Erfassung und räumliche Zuordnung der aktuell in Deutschland im Winterraps vorkommenden Unkrautarten.
Auf der Grundlage eines dreijährigen, bundesweiten Unkraut-Monitorings wurden regionale Unterschiede in Ausmaß, Zusammensetzung und Artenvielfalt der Verunkrautung erfasst.

Die gewonnenen Daten werden benötigt, um den Beitrag des Rapsanbaus zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität von Agrarökosystemen einzuordnen, aber auch um künftige Nachfrageentwicklungen für herbizide Produkte besser einschätzen zu können. Einen wesentlichen Schwerpunkt der Arbeit stellt zudem die Untersuchung von Wechselbeziehungen zwischen pflanzenbaulichen Maßnahmen und der Stärke und Artenzusammensetzung der Verunkrautung von Winterrapsbeständen dar. Hieraus resultierende Erkenntnisse sollen helfen, das Potenzial einer vorbeugenden Unkrautbekämpfung im Raps zu beurteilen und Beratungsgrundlagen für ein nachhaltiges Unkrautmanagement abzuleiten.

Die großflächige Erhebung von Vegetations-, Standort- und Bewirtschaftungsdaten führt zwangsläufig zu Datensätzen außergewöhnlichen Umfangs. Aufgrund ihrer Struktur – ein Standort beherbergt eine Vielzahl von Arten, deren Auftreten von vielen Faktoren gemeinsam bestimmt wird – sind klassische Mittelwertvergleiche ebenso wenig geeignet wie einfache Regressionen. Während für Individuendichten einzelner Unkrautarten, die Artenzahl oder die Gesamtverunkrautung von Standorten zumindest auf Medianvergleiche zurückgegriffen werden kann, sind multivariate statistische Verfahren zwingend erforderlich, um der Gesamtheit von Artreaktionen auf die Umwelt und dabei wirkenden Wechselbeziehungen zwischen diesen Faktoren näherungsweise gerecht zu werden. Über allgemein verbreitete multivariate Anwendungen hinaus, werden in dieser Arbeit verschiedene multivariate Techniken der Ordination und Clusteranalyse neuartig miteinander und auch mit univariaten Verfahren kombiniert. Dies ermöglicht sowohl die Gewichtung einzelner Einflussfaktoren hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Unkrautartenzusammensetzung als auch die Klassifizierung von Standorten entsprechend ihrer charakteristischen, auf der Wirkung bestimmter Faktorenkomplexe beruhenden Verunkrautung.

Innerhalb Deutschlands gibt es beträchtliche Unterschiede in der Unkrautvegetation von Winterrapsschlägen. Dies betrifft sowohl die Höhe der Verunkrautung insgesamt, als auch ihre Artenvielfalt und Zusammensetzung. Selbst die häufigsten Rapsunkräuter, von denen einige auch in anderen Feldkulturen sehr verbreitet sind, treten in deutlich schwankenden regionalen Dichten auf. Seltenere Unkrautarten sind in der Regel durch ein regional begrenztes Auftreten gekennzeichnet, in wenigen Fällen durch regional stark erhöhte Individuendichten bei sonst gleichmäßiger Verbreitung.

Welche Unkrautarten gemeinsam an einem Standort auftraten, hing maßgeblich von der im Vorjahr auf dem untersuchten Rapsschlag angebauten Kultur ab. Darüber hinaus wurden deutliche Unterschiede zwischen den Unkrautgemeinschaften gepflügter und pfluglos bearbeiteter Rapsschläge beobachtet und auch die Bodengüte beeinflusste die Zusammensetzung der Unkrautflora stark. Eine erhöhte Rapsanbauintensität als Kombination aus langjährigem Rapsanbau und hohem Fruchtfolgeanteil von Raps führt ebenso zur Ausprägung einer charakteristischen Gemeinschaft von Unkräutern wie die Lage eines Standortes innerhalb verschiedener Klimaregionen in Deutschland.
Frühe Aussaat und pfluglose Bodenbearbeitung wirken sich positiv auf die Artenvielfalt von Rapsschlägen aus.

Während die häufigen Unkräuter in ihrem Auftreten vor allem durch das jeweilige Management der einzelnen Schläge, sowie durch lokale Unterschiede in der Art der Bewirtschaftung und ihrer zeitlichen Staffelung beeinflusst werden können, sind für das Vorkommen und die räumliche Variabilität der großen Zahl seltener Unkräuter eher die größtenteils vorgegebenen klimatischen und standörtlichen Gegebenheiten von Bedeutung. Deren Unterschiedlichkeit leistet einen erheblichen Beitrag zur insgesamt beobachteten Biodiversität der Unkrautflora von Winterraps.

Aus wissenschaftlicher Sicht stehen vor allem die Ergebnisse zur Beeinflussung der Artenzusammensetzung durch Bewirtschaftungs-, Standort- und Umweltfaktoren im Einklang mit denen anderer großer Unkrauterhebungen. Die als besonders wichtig identifizierten Faktoren lassen sich gut in einen europäischen Kontext einordnen. Während jedoch in anderen Teilen Europas bereits auf Vergleichsdaten aus mehreren nationalen Unkrauterhebungen in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegriffen werden kann, um Veränderungen zu analysieren oder Prognosen für eine zukünftige Entwicklung der Unkrautflora abzuleiten, stellt diese Arbeit zunächst eine Momentaufnahme dar.

Die verwendeten multivariaten Verfahren erwiesen sich als geeignet, die wesentlichen Gradienten in den Vegetationsdaten aufzudecken und ihre Korrelation mit den erfassten Standortinformationen zu analysieren. Sie ermöglichten in ihrer selbst entwickelten Kombination eine ökologisch sinnvolle Interpretation der Daten und zeigen Möglichkeiten zur weitergehenden Verwendbarkeit von Monitoringdaten auf. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde erstmals ein derart umfangreicher Datensatz für eine einzelne landwirtschaftliche Kultur multivariat untersucht. Vergleiche mit anderen großen Unkrauterhebungen lassen erkennen, dass erst durch diesen gezielten Ausschluss des dominierenden Einflusses von Kulturart und ihrer Saisonalität der Wirkung kulturartspezifischer Anbaufaktoren nachgegangen werden kann. Neu war in diesem Zusammenhang auch der Ansatz, häufigen und seltenen Unkrautarten mit ihren unterschiedlichen Auftretenswahrscheinlichkeiten und räumlichen Verbreitungsmustern in der  Analyse  besser gerecht zu werden.

Die vorgestellten Ergebnisse zur Beeinflussung der Verunkrautung von Winterrapsbeständen liefern direkt nutzbare Informationen für die landwirtschaftliche Praxis bzw. die Beratung von Praktikern, indem sie Hinweise darauf geben, welche Auswirkungen auf die Unkrautflora durch welche Kulturmaßnahmen zu erwarten sind und mit welcher Art von Verunkrautung an einem bestimmten Standort gerechnet werden kann.
Darüber hinaus helfen sie, das Auftreten und die Verteilung seltener Unkräuter besser zu verstehen und zeigen damit Möglichkeiten und Grenzen auf, die in der Konzeptionierung von Artenschutz- und Diversitätsprogrammen Berücksichtigung finden können und sollten.

Die Kenntnis derartiger Zusammenhänge sollte dazu genutzt werden, den Anbau von Raps im Rahmen der Fruchtfolge dahingehend zu optimieren, dass einerseits der Aufbau einseitiger hoher Unkrautpopulationen vermieden und die Vermehrung schwer chemisch zu bekämpfender Unkrautarten eingedämmt wird und andererseits durch die Förderung regional bestehender Besonderheiten einer möglichst großen Anzahl verschiedener Begleitkräuter ein jeweils passender Lebensraum erhalten bleibt.