Investistigations of population dynamic and development of resistance against herbicides by Apera spica-venti (L.) P. Beauv.

Andrea Schulz, 2015


Zusammenfassung
Der Schlüssel zum erfolgreichen Überleben für Unkräuter ist ihre Anpassungsfähigkeit an durch regelmäßige Störungen gekennzeichnete ackerbauliche Bedingungen. Die moderne Agrarproduktion ist durch enge Fruchtfolgen mit einem hohen Anteil von Winterungen, der Anwendung stark selektiv wirkender Herbizide und einer Unkrautflora, die an Diversität eingebüßt hat, charakterisiert. Es haben aber auch Unkrautarten, insbesondere Gräser, von diesen Entwicklungen profitiert. Apera spica-venti (L.) P. Beauv. hat sich in den letzten 30 Jahren zu einem der wichtigsten Schadgräser im nord-, mittel- und osteuropäischen Pflanzenbau entwickelt. Gebunden an winterannuelles Leben, hat sich die Art ausgebreitet und im Besatz je Flächeneinheit deutlich zugenommen. A. spica-venti hat zudem zunehmend Resistenzen gegenüber Herbiziden verschiedener Wirkmechanismen entwickelt. Biologische Charakteristika, wie Windbestäubung, eine hohe Samenproduktion je Pflanze und große genetische Variabilität, prädestinieren die Art dafür.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung bestand in einer Analyse der Populationsdynamik und der Entwicklung von Resistenzen gegenüber Herbiziden von A. spica-venti.
Die Höhe des Wintergetreideanteils in der Fruchtfolge und die Stickstoffdüngung beeinflussen das Wachstum von A. spica-venti. Ein Maß dafür ist die Bestockungsrate. Diese war in der Fruchtfolge mit 50 % Wintergetreide signifikant höher als bei einem Anteil von 67 %. Die Halbierung der Stickstoffdüngung führte zu einer signifikanten Erhöhung der Bestockungsrate.
Die Untersuchungen zur Populationsdynamik von A. spica-venti basieren auf den Daten eines 15jährigen Feldversuches, der von 1981 bis 1996 von der Universität Göttingen durchgeführt worden ist. In der Fruchtfolge Rüben – Winterweizen – Wintergerste wurde die Entwicklung von A. spica-venti erfasst. Dass Daten über einen Zeitraum von 15 Jahren bzw. fünf vollständigen Rotationen einer Fruchtfolge für die Analyse und stochastische Schätzung aller populationsdynamischen Parameter zur Verfügung standen, ist ein Ausnahmefall. In den Getreidekulturen konnte A. spica-venti sich bis zur Bildung neuer Samen entwickeln, in den Rüben wurden die im Frühjahr aufgelaufenen Pflanzen vollständig bekämpft. Jährlich wurden die Felddichten an drei Terminen und die Bodensamenbank beprobt sowie die Samenproduktion einzelner Pflanzen bestimmt. Mit der vorliegenden Arbeit wurde das Datenmaterial für A. spica-venti erstmals umfassend ausgewertet.
Die Analyse der Populationsentwicklung zeigte, dass es ausgehend von einer niedrigen Bodensamenbank drei Rotationen der Fruchtfolge dauerte, bis eine signifikante Zunahme eintrat. Verglichen zur ersten Rotation, war der Median der Bodensamenbank am Ende des 15jährigen Beobachtungszeitraums auf das 9,5-fache angestiegen. Die Entwicklung der Felddichten ging nicht mit der der Bodensamenbank einher. Es wurde keine signifikante Zunahme festgestellt. Die Entwicklung von A. spica-venti in den beiden Getreidekulturen unterschied sich bis zur Ernte nicht. Der spätere Erntetermin des Winterweizens begünstigt die Abreife von A. spica-venti und den Eintrag neuer Samen in die Population.
Basierend auf dieser Datenanalyse wurden mit linearen gemischten Modellen populationsdynamische Parameterwerte für A. spica-venti geschätzt. Die Methode bietet den Vorteil, dass die jahresbedingten Variationen wie auch die Struktur des Feldversuches berücksichtigt werden können. Spezifisch für Rüben, Winterweizen und Wintergerste wurde der gesamte Lebenszyklus von A. spica-venti quantifiziert. Auf dieser Basis konnte erstmals ein stochastisches populationsdynamisches Modell für A. spica-venti entwickelt werden. Mit dem Modell kann, ausgehend von einem bekannten Bodensamenvorrat, die Entwicklung von A. spica-venti in den oben genannten Kulturen simuliert werden. Die Übertragbarkeit auf andere Kulturen und Fruchtfolgen wurde geprüft. Dafür standen die Daten eines weiteren Standorts mit abweichenden Kulturen und Fruchtfolgen zur Verfügung. Im Vergleich der simulierten mit den real beobachteten Pflanzendichten im Frühjahr zeigte sich, dass das Modell diese deutlich unterschätzt. Gute Übereinstimmungen wurden dagegen für die Rispendichten vor der Ernte erzielt.
Unkrautpopulationen sind an die speziellen Bedingungen eines Standortes angepasst, wozu seit vielen Jahren der regelmäßige Herbizideinsatz gehört. Biotests dienen zum Nachweis von Herbizidresistenz in Feldpopulationen. Die Rahmenbedingungen der Biotests können das Ergebnis beeinflussen. Wichtig ist ein ähnliches Entwicklungsstadium der Testpflanzen bei der Herbizidapplikation. An verschiedenen A. spica-venti Populationen wurde das Auflaufverhalten unter differierenden Temperaturbedingungen untersucht. Populationen, die von konventionell bewirtschafteten Standorten stammten und nachgewiesen resistent gegenüber Isoproturon waren, liefen signifikant schneller und kompakter auf als herbizidsensitive Populationen ökologisch bewirtschafteter Standorte.
Biotests mit ganzen Pflanzen im Gewächshaus durchgeführt, bieten die Möglichkeit einer ersten Einschätzung des Resistenzgrades unabhängig vom Resistenzmechanismus. Anhand einer mitgeführten Referenzpopulation wird der Resistenzgrad der untersuchten Feldopulation(en) eingeschätzt. Der Herkunft der Referenzpopulation kommt somit eine große Bedeutung zu. Erstmals wurden die A. spica-venti Referenzpopulationen verschiedener Testlabore auf ihre Sensitivität gegenüber Iodosulfuron geprüft. Die Unterschiede in den Sensitivitäten waren gering. Dennoch spielten Herkunft und Reinigung des Saatgutes eine Rolle für die Ergebnisse: sehr gut gereinigtes Saatgut aus kontrollierten Zuchten reagierte weniger variabel als im Feld gewonnene Populationsmischungen.
Häufig kann ein Resistenzverdacht im Test nicht bestätigt werden. Biotests sind zwar einfach in der Handhabung, jedoch platz- und arbeitsintensiv. Vorteilhaft wäre es, wenn sich der Probenumfang mit Hilfe der Verteilung von A. spica-venti (Lage und Pflanzendichte) innerhalb eines Feldes von vornherein auswählen und einschränken ließe, ohne frühzeitige Resistenzentwicklungen zu übersehen. Auch Einschätzungen und Erfahrungswerte von Landwirten könnten Indikatoren sein. Mit zwei Studien, durchgeführt innerhalb eines Feldes und zwischen verschiedenen Feldern, wurden diese Möglichkeiten untersucht.
Innerhalb eines Feldes wurde das Saatgut von A. spica-venti verschiedener Dichtekategorien (Einzelpflanze, lockerer Bestand, hohe Dichte) in Dosis-Wirkungs-Versuchen auf Sensitivitätsunterschiede gegenüber Isoproturon untersucht. Die ED50-Werte unterschieden sich signifikant. Die Herbizidwirksamkeit war nicht dichteabhängig, zeigte aber einen räumlichen Zusammenhang zu den Fahrspuren im Feld.
Die zweite Studie war ein zweijähriges Monitoring zum Resistenzstatus von A. spica-venti. Es wurden Saatgutproben aus 38 Winterweizenfeldern in Nord- und Ostdeutschland untersucht. Darüber hinaus wurden in einem Fragebogen zusätzliche Informationen zum Management der Standorte und dem jeweiligen persönlichen Resistenzverdacht der Landwirte erhoben. Die Resistenzentwicklung wurde gegenüber drei Wirkmechanismen anhand von fünf Wirkstoffen geprüft (ACCase-Hemmer mit Clodinafop, ALS-Hemmer mit Flupyrsulfuron und Iodosulfuron sowie Photosystem-II-Hemmer mit Chlortoluron und Isoproturon).
In 15 der 38 Populationen wurde Resistenz gegenüber mindestens einen Wirkstoff nachgewiesen. Die Entwicklung von Resistenz war assoziiert mit der Bodenbearbeitung, die zwischen Pflug und pfluglos wechselte, und normalen Aussaatterminen. 14 der 38 Landwirte lagen mit ihren Vermutungen dahingehend richtig, dass sie keine Resistenz vermutet hatten. Es wurde aber nur in ca. der Hälfte der Felder, für die Landwirte wegen hoher A. spica-venti Dichten Resistenz angenommen hatten, diese tatsächlich nachgewiesen.
Resistenzen können mono- oder polygenetisch vererbt werden. Wie sich dies auf die Populationsentwicklung im Feld auswirkt, kann mit Modellen simuliert werden. Das Modell PERTH (Polygenic Evolution of Resistance to Herbicides) ist ein individualbasiertes, stochastisches Simulationsmodell das dafür entwickelt wurde. In der vorliegenden Arbeit wurde das Modell für A. spica-venti in der Fruchtfolge Rüben – Winterweizen – Wintergerste nachgeschrieben und mit den entsprechenden populationsdynamischen Parametern modifiziert. Unter der Annahme, dass vier für Resistenz induzierende Allele vorhanden sind, wurde die Populationsentwicklung über 15 Jahre simuliert. Innerhalb der ersten 10 Jahre führte die Vervielfältigung der R-Allelfrequenz dazu, dass einerseits rein sensitive Genotypen aus der Population nahezu entfernt wurden und zunehmend rein resistente auftraten. Zunehmende Pflanzendichten im Feld waren die Folge, da die Wirksamkeit des Herbizids nicht mehr ausreichte.
Mit der vorliegenden Arbeit wurde ein Beitrag zur Populationsdynamik und Resistenzentwicklung von A. spica-venti geleistet.
Die Untersuchungen zeigen, dass die Entwicklung von A. spica-venti sehr variabel und entsprechend schlecht vorhersagbar ist. Über viele Jahre bleiben die Felddichten auf einem ähnlichen Niveau, während sich die Samenbank schleichend, aber signifikant erhöht. Unerwartet hohe Felddichten nach einer Herbizidbehandlung sind mitunter eher umweltbedingten Minderwirkungen geschuldet, als dass Resistenz im Spiel ist. In den Untersuchungen hat sich aber auch gezeigt, dass das Management allein in der Hand der Landwirte liegt. Unkrautsamen können mit der Bearbeitung vom Vorgewende in das Feld eingetragen werden und damit Sensitivitätsunterschiede gegenüber Herbiziden induzieren. Wichtig ist eine regelmäßige Nachkontrolle von Herbizidbehandlungen. A. spica-venti ist aufgrund des aufrechten Wuchses und der prägnanten Rispen leicht in den Beständen auszumachen.