Analysen zur Pflanzenschutzmittel-Intensität und deren Bestimmungsfaktoren im Ackerbau Norddeutschlands

Sabine Andert, 2016


Zusammenfassung
Der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel ist fester Bestandteil moderner, konkurrenzfä-higer Managementstrategien im Pflanzenbau. In Europa sind die Landwirte jedoch aufgefor-dert, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verringern. Den Rahmen für die Pflanzen-schutzmittel-Intensität bestimmen Umweltfaktoren wie die natürlichen Produktionsbedingun-gen in einer Region sowie die Witterung des Anbaujahres. Datenerhebungen zum Einsatz chemischer Pflanzenschutzmaßnahmen, wie die NEPTUN-Erhebungen und das Netz Ver-gleichsbetriebe Pflanzenschutz, belegen regionale Unterschiede in der Pflanzenschutzmittel-Intensität Deutschlands. Weitere Analysen zum Pflanzenschutzmittel-Einsatz auf Praxisbe-trieben berichten allerdings immer wieder auch über die hohe Variabilität innerhalb der Regi-onen, die auf Unterschiede zwischen den Betrieben zurückgeführt wird.
Ziel der vorliegenden Dissertationsschrift war es, Kenntnisse zu den Einflüssen natürlicher, sozioökonomischer und produktionstechnischer Faktoren auf den Einsatz chemischer Pflan-zenschutzmittel im Ackerbau zu gewinnen sowie den Beitrag wesentlicher Einflussfaktoren auf die Pflanzenschutzmittel-Intensität eindeutig zu separieren und zu quantifizieren. Zu die-sem Zweck wurde ein umfangreicher Datensatz landwirtschaftlicher Praxis-Daten ausgewer-tet, welcher im Rahmen eines regionsübergreifenden Pflanzenschutzmittel-Anwendungs-Monitorings in Norddeutschland erhoben wurde. Die große Sammlung landwirtschaftlicher Anbaudaten ermöglicht Untersuchungen zu den Auswirkungen unterschiedlicher Produkti-onsintensitäten auf die Intensität des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel. Darüber hinaus bestand die Notwendigkeit, jahres- und regionsspezifische Einflüsse von den Effekten verschiedener Betriebseigenschaften und Managementfaktoren zu trennen, um betriebsindi-viduelle Faktoren zu charakterisieren, die in Verbindung mit höheren oder niedrigeren Pflan-zenschutz-Intensitäten stehen. Ein weiteres Ziel war es, den Einfluss des Anbaumanage-ments auf die Pflanzenschutz-Intensität zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurde die kombi-nierte Wirkung von Fruchtfolge und Bodenbearbeitung auf den Herbizid- und Fungizid-Einsatz im Ackerbau betrachtet. Grundlage der Auswertungen bilden die Schlagkarteidaten 60 landwirtschaftlicher Voller-werbsbetriebe in vier Regionen Norddeutschlands (Diepholz, Uelzen, Fläming und Oder-Spree), die über einen zehnjährigen Zeitraum (2005-2014) analysiert wurden. Insgesamt wurden 19.876 Schläge und ca. 100.000 Pflanzenschutzmaßnahmen untersucht. Die Regio-nen, gelegen auf einem West-Ost-Transekt, unterscheiden sich voneinander deutlich in ihren natürlichen Produktionsbedingungen, wie Klima und Boden, sowie in den strukturellen Be-triebseigenschaften. Zur Beschreibung des quantitativen Umfangs und Vergleich der Pflan-zenschutzmittel-Intensitäten wurde in allen Auswertungen der Indikator Behandlungsindex verwendet. Einflussfaktoren auf die Intensität des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes wurden mittels multipler Regressionen in gemischten Modellen analysiert, um die kombinierte Wir-kung mehrerer Faktoren auf die Pflanzenschutzmittel-Intensität gleichzeitig zu bestimmen.
Die Ergebnisse belegen regionale Unterschiede bzgl. der Pflanzenschutzmittel-Intensität zwischen den vier Regionen Norddeutschlands. Die Behandlungsintensitäten der Hauptan-baukulturen in den Regionen nehmen auf einem Gradienten von West nach Ost ab, mit Aus-nahme der Glyphosat-Intensität. In Regionen mit weniger günstigen Bedingungen für die Ackerlandnutzung werden signifikant weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Der Faktor Betrieb wurde jedoch als hauptsächliche Einflusskomponente auf die Pflanzenschutzmittel-Intensität identifiziert. Produktionsintensität und Pflanzenschutzmittel-Intensität sind auf regi-onaler, wie auch betrieblicher Ebene eng miteinander verbunden. Diese Ergebnisse stehen weitgehend im Einklang mit vorhergehenden Untersuchungen zur Variabilität des Pflanzen-schutzmittel-Einsatzes im mehrjährigen Vergleich und zwischen Betrieben in unterschiedli-chen Regionen, werden allerding durch eine wesentlich größere Stichprobengröße landwirt-schaftlicher Betriebe gestützt.
Betriebliche Faktoren, wie Ziele und Ausstattungen sowie das Wissen und die Wahrneh-mungen der Entscheidungsträger, beeinflussen die Pflanzenschutzmittel-Intensität. Mit stei-gendem betrieblichen Spezialisierungsgrad im Ackerbau nimmt die Pflanzenschutzmittel-Intensität zu. Betrieben in den östlichen Regionen wendeten signifikant mehr Glyphosat auf. Die Zusammenhänge zwischen geringeren betrieblichen Arbeitskapazitäten und signifikant höheren Glyphosat-Intensitäten deuten stark auf wirtschaftliche Aspekte in Bezug auf den Einsatz von Glyphosat im Ackerbau hin.
Der Einfluss der Fruchtfolge auf die Herbizid- und Fungizid-Intensität im Ackerbau wurde nachgewiesen. Die Ergebnisse belegen einen starken kombinierten Einfluss von Fruchtfol-gegestaltung und Bodenbearbeitung. Je diverser die Fruchtfolgegestaltung und intensiver die Bodenbearbeitung, desto geringer die Intensität der eingesetzten Herbizide und Fungizide.
Die vorgestellten Untersuchungen leisten einen wesentlichen Beitrag zur eindeutigen Be-stimmung wesentlicher Einflussfaktoren auf die Pflanzenschutzmittel-Intensität im Ackerbau Norddeutschlands. Erstmalig konnten Überschneidungen im Einfluss der Komplexe Region und Betrieb aufgelöst werden. Weiterhin wurden allgemeingültige Kenntnisse über beste-hende Einflussfaktoren auf die Pflanzenschutzmittel-Intensität auch in einer großen Samm-lung landwirtschaftlicher Anbaudaten bestätigt. Somit tragen die gewonnenen Ergebnisse dazu bei, Reduktionspotenziale und Einflussmöglichkeiten durch vorbeugenden Pflanzen-schutz abzuschätzen. Insbesondere werden durch die vorliegende Arbeit Informationen dar-über erlangt, welches Minimum der Pflanzenschutzmittel-Intensität durch entsprechendes Anbaumanagement erreicht werden kann.