Unkräuter in Mais – Auswirkungen von Landnutzungsänderungen und Herbizideinsatz

Christoph von Redwitz


Zusammenfassung
Der kontinuierliche Anstieg der Maisanbaufläche ist eine der wichtigsten Änderungen in der landwirtschaftlichen Flächennutzung der letzten 60 Jahre. Von einer Kultur mit marginalem Anbauumfang entwickelte er sich zur zweitstärksten Flächenkultur in Deutschland. Diese junge und gleichzeitig dynamische Anbaugeschichte führt zu einer speziellen Situation der assoziierten Unkrautdynamik. Eine weitere Änderung in der Landnutzung der letzten 60 Jahre ist der stark gestiegene Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, der schnell von sich bildenden Resistenzen begleitet wurde.
In ganz Deutschland wurde zwischen 2001 und 2009 ein Unkrautmonitoring auf 1460 Maisfeldern durchgeführt. Zusätzlich wurden Daten zum Pflanzenbau und den Böden mit Hilfe eines Fragebogens erhoben. Zur Untersuchung von Mustern in der Unkrautartenzusammensetzung wurden Haupkomponentenanalysen sowie Redundanzanalysen eingesetzt. Die Arten Chenopodium spp., Echinochloa crus-galli und Solanum nigrum traten alle in hohen Dichten und mit hoher Stetigkeit auf, ihr Auftreten wurde aber von unterschiedlichen Faktoren bestimmt. Andere häufige Unkrautarten waren solche, die typischerweise bei Kulturen mit Herbstaussaat vorkommen. Die Variation der Artenzusammensetzung war signifikant von verschiedenen Faktoren abhängig: von Umweltfaktoren (9,1% erklärte Varianz), im Speziellen vom Breitengrad sowie dem Niederschlag, und vom Management (4,7% erklärte Varianz), hauptsächlich von der Fruchtfolge. Die relative Wichtung dieser Faktoren findet sich auch bei anderen Kulturen und Regionen und scheint somit universal zu sein. Die Ergebnisse zeigen, dass Landwirte, trotz eingeschränktem Einfluss des Managements auf die Unkrautzusammensetzung, die Fruchtfolge einsetzen können um einzelne Arten zu unterdrücken. In einer Landschaft mit sich schnell änderndem Landbau wird außerdem mit dieser Untersuchung eine Grundlage geschaffen, mit der zukünftige Entwicklungen verglichen werden können.
Das am häufigsten gefundene Unkraut war C. album. Gründe, die das Auflaufen dieser Art begünstigen, wurden anhand eines Datensatzes bestimmt, der bei einem Unkrautmonitoring in den Jahren 2011 und 2012 auf 169 Maisflächen in vier Regionen in Norddeutschland gewonnen wurde. Mit einem generalisierten gemischten linearen Modell wurden folgende Einflussgrößen identifiziert: die Niederschlagssummen zwischen Aussaat und Bonitur, der Anbau von Mais im Vorjahr, die Ausbringung von Mist, der Gehalt an organischer Substanz im Boden und der Gehalt an pflanzenverfügbarem Phosphor.
Im ersten Unkrautmonitoring hatte von allen Managementfaktoren die Fruchtfolge den größten Einfluss auf die Unkrautzusammensetzung in Mais. Daher wurden in den Jahren 2011 bis 2013 Unkräuter auf 224 Maisflächen in Norddeutschland erhoben sowie Daten zum Management gesammelt. Aus diesen Daten wurden sieben Parameter gebildet, die alle verschiedene Anbaumuster beschreiben. Diese wurden in Redundanzanalysen als erklärende Variable eingesetzt. Mit diesem Ansatz konnte eine enge Kopplung von E. crus-galli und zu einem geringeren Ausmaß auch von Setaria spp. mit dichten Maisanbaumustern festgestellt werden. Andere sommerannuelle Unkräuter waren dagegen kaum beeinflusst. Außerdem wurde eine sehr schnelle Änderung der Unkrautzusammensetzung festgestellt, nachdem Mais in die Fruchtfolge aufgenommen wurde. Wegen der Neigung, Herbizidresistenzen zu entwickeln und der positiven Reaktion auf dichte Maisanbaumuster verdient E. crus-galli spezielle Aufmerksamkeit.
Herbizidresistenz ist eine Anpassungsreaktion von Unkrautpopulationen auf den Einsatz von Herbiziden, die überall in der Welt Probleme verursacht. Simulationsmodelle, die Populationsdynamik als auch Genetik kombinieren, sind wertvolle Werkzeuge um die Effekte diverser Managementoptionen auf Unkrautdichten, Allelfrequenzen und phänologische Resistenzniveaus vorherzusagen. Zudem können mit Hilfe solcher Modelle Vermutungen über die bestimmten Effekten zugrunde liegende Genetik aufgestellt werden. Agrarwissenschaftlern fehlt es oft an Programmiererfahrung, allerdings nutzen viele R zur Datenanalyse. Das neue R-Paket PROSPER stellt Funktionen zur Verfügung, mit deren Hilfe sich Simulationsmodelle auf Feldebene aufsetzen lassen. Diese Funktionen decken sowohl die Selektion von Individuen auf Grund ihrer Sensitivität zu Herbiziden, als auch die Rekombination von Allelen bei der Reproduktion ab. Auch die für Unkrautpopulationen wichtige Dichteabhängigkeit ist mit einer extra Funktion leicht in ein Modell zu integrieren. Zur Sicherung von Modelparametern in einer klaren Struktur, von Zwischenständen und Ergebnissen werden passende Objekte erstellt. Alle Funktionen sind im R Code erweiterbar. PROSPER basiert auf einem Populationsdynamischen Modell von Renton et al. (2011). Es kombiniert individuenbasierte Populationsdynamik mit mono- oder polygenetischer diploider Vererbung und einem flexiblen Selektionsdruck. In allen Modellschritten kann Stochastizität einfließen. Als Nachweis der Funktionalität des Pakets wurden zwei Beispielmodelle für Herbizidrestenz bei annuellen Unkräutern, E. crus-galli in Mais und Galium aparine in Winterweizen, vorgestellt. Alle Parameter dieser Modelle sind in PROSPER abrufbar. Neben der Simulation selbst bietet das Paket PROSPER die Möglichkeit populationsdynamische Simulationsmodelle und Parameter zu veröffentlichen und zu verbreiten. Der Nutzen dieses Pakets wird wachsen, je mehr es genutzt wird und je mehr Modelle integriert werden. Wissenschaftler können diese Modelle für eigene Fragestellungen anpassen oder zu anderen Zwecken, wie z.B. der Lehre, weiter nutzen.
Echinochloa crus-galli ist das vielleicht wichtigste Unkraut in Mais in Deutschland. Daher wurde für diese Unkrautart ein populationsdynamisches Simulationsmodell mit PROSPER aufgesetzt. Da in Deutschland Mais üblicherweise nur einmal mit einem Herbizid behandelt wird, können später keimende Pflanzen dem Selektionsdruck entkommen. Das ist für E. crus-galli besonders relevant, da diese Art mit abnehmender Rate über die gesamte Vegetationsperiode von Mais keimt. Später auflaufende Unkräuter können ihre sensitive Genetik weiter vermehren. Um die Reproduktion der später auflaufenden Biotypen zu verhindern, werden verschiedene Maßnahmen angewendet. Eine davon ist der Einsatz der Untersaat. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Unterdrückung der später auflaufenden Biotypen die Entwicklung der Herbizidresistenz verstärkt. Um diese zu prüfen wurde die Entwicklung von Herbizidresistenz bei E. crus-galli im kontinuierlichen Maisanbau in drei Varianten getestet: 0%, 30% und 100% Unterdrückung der spät auflaufenden Biotypen. Bei Unterdrückung der spät auflaufenden Biotypen zeigte sich eine schnellere Entwicklung von Herbizidresistenz.